Alaska at its best

Sicht von unserem ersten Campspot aus

 

Die Nervosität steigt mit jedem Tag. Haben wir uns zu Kajak-erfahren eingeschätzt? Was wenn wir im eisigen Wasser kentern? Bären, Killerwale, Seelöwen, die auf die Kajaks springen, um ihr Revier zu verteidigen, sind wir Schweizer Landeier ein gefundenes Fressen für sie? Wird Elin endlich wieder gesund, welche nach 12h erbrechen seit 3 Tagen immer nur schläft und absolut energielos ist?

nervös aber ready

Erstmals sind wir noch auf einer sicheren grossen Fähre von Skagway nach Juneau, wo wir mitten in der Nacht um 1:30 ankommen und auf dem Mendenhall Campground noch unser Zelt aufschlagen. Im Gegensatz zum Yukon, wo es nur zwischen 1:45-2:20 dunkel war (!!!) sind es hier immerhin 3-4h. Am nächsten Tag erhalten wir unser Equipment beim Alaska Kajak Adventure: 2 2er Kajaks, 3 Bärenkanister (obligatorisch um all das Essen, Zahnpasta, Mückenspray und Sonnencreme zu verstauen, welche anscheinend für die Bären Leckerbissen sind) Sprayskirts, Schwimmwesten und das obligatorische Funkgerät. Wir können Juneau nicht so richtig geniessen, welches regelmässig von tausenden von Kreuzfahrschiffsgästen überflutet wird, zu stark sind unsere Gedanken beim Packen und planen. In unserem Campground sehen wir dann schon mal eine grosse Bärenmutter mit ihren 3 Jungen, welche flink auf den Baum klettern als wir uns nähern.

Pünktlich um 6h früh wird unser Material zum Alaska bound Schiff gebracht, welches uns und unsere geladenen Kajaks bis ans Ende des Tracy Arm Fjord transportiert. Wir werden von den Touristen an Board wie Exoten angestarrt und ausgefragt, was unsere Nervosität nicht gerade mindert. Der ausgesprochen grumlige Captain Steve macht uns noch auf alle bevorstehenden Gefahren aufmerksam, Lukas ist mehrmals nahe dran unser Abenteuer kurzfristig abzublasen. Elin schläft praktisch bis es ernst gilt und wir die Anweisung kriegen unsere Sprayskirts und Schwimmwesten zu montieren.

Das Captain Cook Schiff lässt uns direkt beim Sawyers Gletscher ins Wasser, ab jetzt sind wir auf uns selber gestellt

Zwischen grossen Eisschollen, welche vom imposanten South Sawyer Gletscher regelmässig abkalbern, werden unsere Kajaks direkt vom Boot ins Wasser gelassen. Mit der Angst, unter den Blicken von allen Touristen zu kentern, klettern wir die Leiter runter in unser waggeliges Kajak. Lukas spricht die erste Stunde, nachdem uns das Captain Cook Schiff verlässt und wir alleine in dieser imposanten Eiswelt sind, nichts. Wir hingegen sind sofort eingenommen von dieser fantastischen Landschaft und den vielen sich zurufenden Seehunden, welche hier zuhinterst im Tracy Arm ihre Jungen gebären, aufziehen und die Eisschollen zum Ausruhen und sonnen brauchen. Wenn das Adrenalin nicht immer noch in hohen Mengen durch unsere Adern strömen würde, könnten wir einfach mit offenem Mund staunen. Aber immer muss man aufpassen, dass man nicht zu nahe an einen Eisberg, welcher plötzlich seine 85% Unterwasser liegende Masse wenden könnte, herangetrieben wird. Gelesen haben wir wie der konstant kalbernde Gletscher auch unterirdisch kalbert und es schon vorgekommen ist, dass Kajakfahrer hoch in die Luft katapultiert wurden, welche sich zu nahe an den Gletscher wagten. Wir halten eine sichere Distanz.

Weisskopf Seeadler hat es fast wie bei uns Spatzen
besonders die Schollen, welche sich schon mal gedreht haben, sind wunderschön blau

Sattsehen kann man sich kaum aber irgendwann entscheiden wir etwas aus den sehr dichten Eisschollen und -berge zu paddeln, Richtung unserem ersten Nachtlager. Langsam kann es auch Lukas geniessen. Pausenmöglichkeiten gibt es wie angekündigt keine. Überall ragen vom Gletscher glatt geschliffene Felswände steil hinauf.

keine Ausstiegsmöglichkeiten unterwegs
für das Spaghettiwasser nehmen wir einfach einen Eisklotz aus dem Wasser

Die Sawyer Island soll unser erstes Nachtlager werden. Beim Aussteigen müssen wir erstmals ins eisige, milchige Wasser stehen und auf die mit scharfen Muscheln versetzten Felsen klettern. Wo genau sollten wir unser grosses 5er Zelt einigermassen flach aufstellen? Obwohl Bären bekanntlich schwimmen können, dürfen wir auf dieser kleinen Insel ziemlich sicher vor ihnen sein. Trotzdem stellen wir unser Camp nach Protokoll auf. Unser Zelt müssen wir künstlich verkleinern, damit es auf einem kleinen Vorsprung Platz hat, mindestens 30m weg werden wir kochen und unsere Bärenkanister so lagern, dass der Bär sie nicht ins Meer rollen kann. Nochmals 30m entfernt müssen wir unsere Kajaks hoch über die Felsen tragen, denn die Tidle-Tabelle gibt an, dass das Meer bei Flut mindestens 4-5m steigen wird.

unser erstes Nachtlager
die Seehunde ziehen ihre Jungen ganz hinten im Tracy Arm auf, wo sie sicher sind vor Orkas und anderen Feinden

Nach einer kurzen Pause und einem ersten Verarbeiten der Eindrücke paddeln wir noch in den 2. Fjord bis nach hinten zum North Sawyer Gletscher, der zwar auch eindrücklich ist aber viel weniger kalbert. In der Abendsonne, die bis deutlich nach 10h scheint, geniessen wir unser Abendessen, freuen uns über die Seehunde, die immer «gwunderig» schauen, was wir für eine komische Spezies sind. Eindrücklich grosse Eisberge krachen immer wieder direkt in «unsere» Insel und von der Ferne hören wir die lauten Donner, des kalbernden Gletschers. Trotz nicht gerade bequemen Untergrunds schlafen wir alle recht gut bis ich am Morgen von einem nahen, schnaubenden Geräusch erwache. Ist jetzt tatsächlich ein Bär zu uns geschwommen? Ich wecke Lukas, der mit dem Bärenspray bewaffnet und lautem Rufen heldenhaft aus dem Zelt stürmt nur um zu entdecken, dass es nur ein Schweinswal war, der vor unserem Zelt seine Runden drehte.

 

wir können uns kaum satt sehen

Das Packen unserer Kajaks ist jeden Tag eine logistische Herausforderung. Das Gewicht muss ausgeglichen werden, keine Seitenlage und all unser Material passt nur in die kleinen Luken, wenn man das Puzzle richtig zusammensetzt. Ein letztes Mal pinkeln, das andere Geschäft darf nur in der intertidal Zone gemacht werden, was in dieser felsigen Landschaft schon fast eine sportliche Herausforderung ist, das Toilettenpapier muss anschliessend verbrannt werden, es gilt ganz strikte «leave no Trace» Regel in dieser unberührten Natur.

das morgendliche Packen der Kajaks
das schönste Zähneputzen der Welt (ausser dass die Zahnbürste nach dem spülen salzig schmeckt, gäll Ayla)

Obwohl ein Fjord des Pazifischen Ozeans, ist es v.a. in den frühen Morgenstunden und am Abend spiegelglatt

Elins Lebensgeister erwachen langsam wieder und doch lässt sie sich häufig von Lukas chauffieren. Auch Ayla muss immer wieder Pause machen vom Paddeln, zum Glück verursacht der kalbernde Gletscher eine leichte Strömung zu unseren Gunsten. Wenn man dann noch Ebbe und Flut etwas beachtet, muss man nicht allzu viel gegen-strom paddeln.

Joe

Bald realisieren wir, dass immer der gleiche Seehund neben uns herschwimmt und immer wieder neugierig sein Näschen in die Luft streckt. Anfangs immer hinter unseren Booten aber bald wird er mutiger und beobachtet uns auch von vorne, versucht uns mit seinen lustigen Kapriolen anzuspritzen. Wenn wir am Abend unser Nachtlager aufschlagen, wartet er geduldig bis wir am nächsten Tag wieder einwässern. Wenn man nur seine Gedanken lesen könnte. Am 3. Tag geben wir ihm einen Namen: Mr. Joe Beal kurz Joe. Er wird ein treuer Begleiter bis wir nach 5 Tagen wieder vom Captain Cook Boot bei der Harbourd Island aufgegabelt werden.

Mudcamp wird bei high tide leider überflutet

Eigentlich mögen wir alle nicht mehr aber es gibt kein Abkürzen, wir wissen, dass wir mindestens bis zum Mudcamp paddeln müssen. Da wir bei Ebbe ankommen, hätten wir grösste Lust auf dem schönen Sandstrand zu campen aber die Flutberechnungen lassen uns bald realisieren, dass unser Zelt bei Flut um 10h nachts schwimmen würde. Also «kleben» wir unser Zelt auf eine kleine mit Gras bewachsene Schiefebene bei einem nächsten Strand. Nach dem Nachtessen spielen wir noch ein Tichu, welches wir aber wegen der rasch steigenden Flut abbrechen müssen. Jeder Gang vom Zelt bis zu unserem Feuer und Kochstelle ist begleitet mit einem unserer Bärensprays aber zum Glück sehen wir nur Spuren im Sand von diesen riesigen Tieren.

typische Kochstelle mit Bärenkanister, Bärenspray und mindestens 30m weg vom Zelt

Happy Birthday Ayla. Leider bei leichtem Nieselregen versuchen wir ein etwas exquisiteres Frühstück als unsere obligaten Haferflocken mit Pulvermilch zur Feier des Tages hinzuzaubern, Pancakes, was leider aber in unserer einzigen Pfanne ohne Öl oder Butter nicht so richtig gelingt. Ein winzig kleines Geschenkli haben wir in einem Kompartiment des Kajaks mitgeschmuggelt. Die Stimmung im engen Fjord mit seinen Gletschern und steilen Felswänden ist auch bei Nieselregen imposant.

 

Paddeln bei Nieselregen
Wo hört der Himmel auf?
hoffentlich taucht nicht plötzlich ein Kreuzfahrtschiff in diesem Nebel auf

Eigentlich zufällig stellt Lukas unser Funkgerät an und hört auf dem Marine Channel, dass soeben ein grosses Kreuzfahrtschiff in den Tracy Arm eingefahren ist und kurz vor uns sein müsste. Und tatsächlich, nach der nächsten Kurve sehen wir dieses «Hochhaus im Wasser» welches fast den Fjord ausfüllt. Sieht er uns Winzlinge? Sicherheitshalber funkt Lukas den Kapitän an, welcher dann netterweise versucht einen Bogen um uns zu machen und seinen Speed auf 10 Knoten runterdrosselt. Wie kleine Celebrities werden wir mit riesigen, teuren Kameras von den verschiedenen Balkonen runter fotografiert, wir sind froh, dass uns die Bugwellen nicht umkippen. Irgendwann haben wir alle kalt und alles ist trotz Sprayskirt und Regenausrüstung feucht, so dass wir beim Ellbowcamp im dichten, mystischen temperate Tongass Regenwald mühsam ein Feuer entfachen -irgendwie sind die Zündwürfel nicht mitgekommen- und wärmen unsere kalten nassen Füsse.

 

David und Goliath

Bald eagles -Weisskopf Seeadler- fliegen hier herum wie bei uns Spatzen. Z.T. sitzen 3-4 dieser stolzen Vögel in den gleichen Baumwipfeln. Auch ein anderer grosser Raubvogel, ev. ein golden Eagle, treffen wir häufig an. Am Morgen erwache ich wieder wegen dem Prusten eines Wals, dieses Mal sicherlich grösser als ein Schweinswal, wir wissen, dass sie bis hier hoch zum Ellbogen des Fjords schwimmen und hoffen sie am heutigen Tag zu sehen. Die Wälder an den steilen Hängen sind nebelverhangen und langsam wird der Fjord weiter. Es ist ein anstrengender Paddeltag, da es bis zur Harbour Island eigentlich keine Ausstiegsmöglichkeiten gibt.

beim Ellbowcamp

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Captain Steve hat uns vor den Wirbeln beim Austritt des Tracy Arms in den Inner Passway des Pazifiks gewarnt. Man solle unbedingt nur bei Flut oder dann bei Ebbe durch aber nicht zwischendurch. Als wir am Ende des Fjords ankommen sieht aber alles schön ruhig aus und die Insel ist in erreichbarer Nähe. Nach einer kurzen Pause starten wir die Überquerung dieser mit Untiefen versetzten Engstelle. Das war eine schlechte Idee. Wie aus dem Nichts beginnt das Wasser plötzlich zu brodeln, Eisberge kommen in einem unglaublichen Tempo auf uns zugeschossen, das Ruder hat keine Chance gegen die extreme Strömung. Wir geraten alle etwas in Panik und entscheiden umzukehren und nochmals zu unserem Pausenstrand zurück zu paddeln. Einfacher gesagt als getan. Trotz intensivem Paddeln treibt es uns ab, wir müssen den rasenden Eisbergen ausweichen und haben Sorgen von einem der deutlich sichtbaren Wirbel verschlungen zu werden aber schlussendlich schaffen wir es wieder zurück an ein weiter unten gelegenes Ufer. Erleichtert ziehen wir die Boote an Land und entscheiden für 1,5h Spiele zu spielen bis dann Ebbe sein sollte. Interessanterweise hat uns Joe, unser begleitender Seehund, kurz vor dieser Stelle 2x laut zugerufen, was er in den ganzen 5 Tagen nie gemacht hat. Ob er uns warnen wollte? Er hat diese Meeres-Waschmaschine sichtlich genossen und hat sich in diesen starken Strömungen immer wieder hoch und runter treiben lassen.

Bei Ebbe war dann die Überquerung absolut problemlos und wir konnten unser Camp auf der schönen Harbour Island aufstellen, wo wir schon fast luxuriösen Platz für das Zelt fanden. Schon von unserer Kochstelle aus konnten wir die Humpback whales beobachten und entschieden am nächsten Tag einfach die Gegend zu erkunden in der Hoffnung diese Giganten mit Ehrfurcht von Nahe zu beobachten.

diese Farbe des Wassers!!!
Buckelwale direkt vor unserem Campplatz
wir können es kaum glauben, ORKAS!!

Dass wir dann noch das unsägliche Glück haben sollten, Orkas nur ein paar Meter weg von unseren Kajaks zu sehen, haben wir nicht zu hoffen gewagt. Eine 4er Gruppe mit einem grossen Männli und sicher einem Jungtier schwimmt auf einmal direkt auf uns zu. Sind es jetzt Killerwhales? Schauen sie, wo sie wiederauftauchen?

Dies fragen wir uns insbesondere beim grossen Buckelwal, welcher seine Tonnen von Plankton direkt vor unseren Booten zu verschlingen schien. Wird er uns plötzlich aufbocken oder mit seiner riesigen Schwanzflosse versenken? Aber eigentlich haben wir keine Angst, sondern sind ganz andächtig neben diesen wunderbaren Kreaturen. Es ist wie ein riesiges Abschiedsgeschenk von diesem unglaublichen Erlebnis. Unsere Nervosität war nicht unberechtigt, umso mehr sind wir froh, als wir das Captain Cook Schiff sehen und es unsere Kajaks und uns sicher an Bord hat. Es wird sicher ein unvergessliches Erlebnis bleiben, da sind sich alle einig. Die Anstrengungen des mehrere Stunden Paddeln pro Tag haben alle schon fast vergessen.

da kann man nur noch staunen
so nah!
die 5 Tage waren schlicht atemberaubend!!

Nach Ankunft in Juneau spät am Abend müssen wir noch vor einer Dusche ins Restaurant, wo wir uns über die erste frische Mahlzeit nach 5 Tagen Trockenfutter und astronauten Nahrung freuen, denn Restaurant schliessen spätestens um 9h abends. Umso später wird es, als wir realisieren, dass unser gesamter Campground evakuiert wurde, da der unterirdische Gletschersee ausgelaufen ist. Mittlerweile ist es 22h und wir haben keine Ahnung, wo wir schlafen können und die Dusche muss einen weiteren Tag warten. Per Zufall sehen wir Marc, einen Schweizer Umweltingenieur, welchen wir am Tag vor unserem Abendteuer mit seiner Frau Silvia und den beiden Kindern kennenlernten. Da sie am nächsten Tag um 6h früh die Fähre zurück nach Haines nehmen und sowieso im Campingbus übernachten, bieten sie uns an unser Zelt auf ihrem Campsite aufzustellen, worüber wir überglücklich sind.

Körperpflege nach 6 Tagen ohne Dusche!

Die Dusche nach 6 Tagen ist eine Wohltat sondergleichen. Im Waschsalon in Juneau waschen wir die vor Dreck fast stehende Wäsche. Zum Glück erst jetzt zeigt sich das typische Wetter in diesem Tongass Regenwald Gebiet. Trotzdem unternehmen wir eine Wanderung hoch zum Mendenhall Gletscher aber brechen auf Grund des sehr rutschigen Terrains vor dem Gipfel ab.

 

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert